Der Wert von Freundschaften für den Prüfungserfolg

Studierende, die mit Freunden auf Prüfungen lernen, haben bessere Chancen, diese zu bestehen. Soziologen der ETH Zürich haben untersucht, wie sich die Vernetzung von Bachelor-Studierenden im ersten Jahr auf den Prüfungserfolg auswirkt. Ihre Ergebnisse zeigen, dass informelle Beziehungen und Freundschaft genauso wichtig sind wie individuelle Motivation und Lerndisziplin.

Vergr?sserte Ansicht: Studierende tauschen sich über den Lernstoff aus. Das lohnt sich, denn gut vernetzte Studierende erzielen die besseren Prüfungsergebnisse. (Bild: ETH Zürich/Gian Marco Castelberg)
Studierende tauschen sich aus. Das lohnt sich, denn gut vernetzte Studierende erzielen die besseren Pr¨¹fungsergebnisse. (Bild: ETH Z¨¹rich / Gian Marco Castelberg)

Freundinnen und Freunde begleiten einen nicht nur im Leben durch dick und d¨¹nn, sie spielen auch im Studium eine wichtige Rolle. Studierende, die miteinander befreundet sind und sich gemeinsam auf eine Pr¨¹fung vorbereiten, schneiden in der Regel deutlich besser ab als Studierende, die weniger gut integriert sind oder allein f¨¹r sich lernen.

Mit einer neuen Methode der dynamischen Netzwerkanalyse konnten ETH-Soziologen aufzeigen, wie sich die Beziehungen von Bachelor-Studierenden im Laufe des ersten Studienjahres entwickeln und zu einem Netzwerk verdichten. Dabei stellten sie fest, dass die Studierenden, die die Pr¨¹fungen am Ende des ersten Bachelor-Studienjahres bestehen, viel st?rker mit anderen vernetzt sind als die Studierenden, die bei der Pr¨¹fung durchfallen. ?Es hat mich ¨¹berrascht, wie stark die Vernetzung und Integration der Studierenden das individuelle Pr¨¹fungsergebnis beeinflussen?, sagt Christoph Stadtfeld, Soziologe und ETH-Professor f¨¹r soziale Netzwerke, ?einige Studierende scheitern wom?glich nicht an individuellen F?higkeiten, sondern weil sie durch das Netzwerk fallen.?

Informelle Beziehungen sind wichtig

In ihrer in der Zeitschrift PNAS ver?ffentlichten Studie untersuchten die ETH-Forschenden total 9266 informelle Beziehungen von insgesamt 226 Bachelor-Studierenden der ETH Z¨¹rich im ersten Studienjahr. Das Besondere an ihrer Methode ist, dass sie damit den Einfluss von sozialen Netzwerken auf den individuellen Pr¨¹fungserfolg herausarbeiten konnten ¨C w?hrend andere bildungswissenschaftliche Studien Leistung und Pr¨¹fungserfolg in erster Linie mit individuellen Gr?ssen wie Geschlecht, Intelligenz, Motivation oder Belastbarkeit erkl?ren. Die ETH-Soziologen argumentieren, dass der Pr¨¹fungserfolg zum Beispiel nicht allein davon abh?ngt, wie viel Zeit jemand f¨¹rs Lernen aufwendet.

Interessant ist auch, dass sich die Lernbeziehungen nicht haupts?chlich um die Studierenden herum verdichten, die den Lernstoff am besten verstehen. ?Die Studierenden bilden keine strategischen Netzwerke, sondern ihr Netzwerk entsteht aus informellen Beziehungen?, erkl?rt Christoph Stadtfeld. Aus seiner Netzwerkanalyse geht hervor, wie sich die Beziehungen mit der Zeit herausbilden und ver?ndern.

So konnte die Forschungsgruppe von Stadtfeld zeigen, dass die Studierenden, wenn sie ihr Studium beginnen, zuerst informelle Beziehungen kn¨¹pfen. Aus solchen Begegnungen k?nnen Freundschaften entstehen, wenn Studierende mehr Zeit miteinander verbringen und sich gegenseitig unterst¨¹tzen. Letztlich entstehen daraus Lerngruppen.

Die Ergebnisse von Stadtfelds Team zeigen also, dass die Studierenden zuerst Freundschaft schliessen, bevor sie zusammen studieren und auf die Pr¨¹fungen lernen. ?Dass Freundschaft erst aus der gemeinsamen Pr¨¹fungsvorbereitung entsteht, ist nicht die Regel?, erkl?rt Andr¨¢s V?r?s, einer der Autoren der Studie.

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Wenn Studierende durchs Netz fallen. (Animation: ETH Z¨¹rich)

Ergebnisse fliessen in die Lehre ein

Sollen Studierende nun also strategisch Netzwerke kn¨¹pfen, um erfolgreich zu sein? Nein, sagt Stadtfeld, und die Schlussfolgerung, die er aus der Studie zieht, richtet sich auch nicht an die Studierenden, sondern vielmehr an die Hochschulen. Schliesslich geschehe Vernetzung im Studium ganz nat¨¹rlich, wenn daf¨¹r R?ume und Freir?ume zu Verf¨¹gung st¨¹nden. Studierende sollen laut Stadtfeld nicht deshalb im Studium scheitern, weil es an passenden Orten fehlt, wo sie informell diskutieren und sich kennenlernen k?nnen.

Die ETH Z¨¹rich hat dieses Thema zum Beispiel im Projekt ?Learning spaces? aufgegriffen, als ETH-Studierende eigene Ideen f¨¹r Lern- und Arbeitsr?ume entwickeln konnten. Stadtfeld geh?rt zu den 23 Professuren, die sich in der Qualit?tsoffensive ETH+ zur ?Future Learning Initiative? verbunden haben. Diese ETH-Initiative hat zum Ziel, neue Forschungsergebnisse zum Thema Lernen in die Praxis weiterzugeben.

Ein besonderes Interesse an den Ergebnissen zeigt ETH-Rektorin Sarah Springman, die die Studie finanziell unterst¨¹tzt hat: ?Wir sind uns bewusst, wie schwierig das erste Jahr f¨¹r unsere Studierenden ist, die aus der ganzen Schweiz zu uns kommen und mit den hohen Anforderungen an der ETH konfrontiert sind?, sagt sie. ?Erkenntnisse aus solchen Studien helfen uns, sie mit allen Kr?ften dabei zu unterst¨¹tzen, die H¨¹rden zu meistern.?

Weitere Studien zum Thema Netzwerkbildung und Studienerfolg sind denn auch bereits in Vorbereitung. Neben der ETH-Rektorin hat auch der Schweizerische Nationalfonds die Studie finanziell unterst¨¹tzt.

Literaturhinweis

Stadtfeld C, V?r?s A, Elmer T, Boda Zs, Raabe I.J. Integration in emerging social networks explains academic failure and success. Proceedings of the National Academy of Sciences, Dec 2018, 201811388; doi: externe Seite10.1073/pnas.1811388115.

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